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221119

(2008) Gott oder Darwin?, Dordrecht, Springer.

Evolution, Wissenschaft und Technik

Erhard Oeser

pp. 309-329

Als der englische Ausdruck evolutionary epistemology ins Deutsche übersetzt wurde – das geschah spätestens in der deutschen Ausgabe von Poppers Buch "Objective Knowledge" vom Jahre 1973 –, musste man sich von allem Anfang an im Klaren sein, dass der Begriff "Evolutionäre Erkenntnistheorie" eine doppelte Bedeutung hat: • Einerseits wird darunter eine biologische Theorie verstanden, die den menschlichen Erkenntnisapparat als Produkt der genetisch-organischen Evolution betrachtet. In diesem Sinne ist die Evolutionäre Erkenntnistheorie eine "Satellitentheorie" (Hans Mohr) der biologischen Evolutionstheorie und somit völlig von deren Akzeptierbarkeit und Zuverlässigkeit abhängig. Als "Erkenntnistheorie" im eigentlichen Sinn des Wortes und nicht nur als Theorie des Erkenntnisapparates kann sie aber deswegen mit Recht bezeichnet werden, weil sie sich nicht nur mit der genetisch-organischen Ausstattung des Erkenntnissubjektes beschäftigt, sondern ausdrücklich eine Erklärung der apriorischen Bedingungen der Möglichkeit der Erkenntnis darstellt, die als phylogenetische Aposteriori aufgefasst werden. Diese Auffassung wurde nicht nur – wie Campbell bereits gezeigt hat – von vielen Philosophen, Biologen, sondern bereits von Darwin selbst vertreten. Denn Darwin geht davon aus, dass es eine "Erkenntnis ohne Erfahrung in allen Tieren gibt und möglicherweise auch beim Menschen" (Darwin, "Old and Useless Notes" 33). Deshalb ist er auch überzeugt, dass derjenige, der den Affen versteht, mehr für die Philosophie getan hat als Locke. Ihre systematische Begründung hat jedoch diese Auffassung erst durch die Verhaltensforschung von Konrad Lorenz erfahren.• Andererseits bezeichnet aber der Ausdruck "Evolutionäre Erkenntnistheorie" auch alle jene Versuche, die den Prozess der Wissenschaftsentwicklung, d. h. also die "Wissenschaftsdynamik" oder im engeren Sinn die "Theoriendynamik" strukturanalog zur biologischen Evolution beschreiben und erklären wollen. Hauptvertreter dieser Art von "evolutionärer Erkenntnistheorie", die man besser "evolutionäre Wissenschaftstheorie" nennen sollte, sind Toulmin (1963) und Popper (1972). Von der evolutionären Erkenntnistheorie in diesem zweiten Sinn als evolutionäre Wissenschaftstheorie soll nun die Rede sein. Sie führt von Mach über Boltzmann zu Lorenz und Popper.

Publication details

DOI: 10.1007/978-3-540-77936-0_22

Full citation:

Oeser, E. (2008)., Evolution, Wissenschaft und Technik, in J. Klose & J. Oehler (Hrsg.), Gott oder Darwin?, Dordrecht, Springer, pp. 309-329.

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