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217867

(2012) Theorie praktischer Probleme, Wiesbaden, Verlag für Sozialwissenschaften.

Systementwicklung, Arbeitsleben und psychische Probleme

Jürgen Ritsert

pp. 99-113

Dass ökonomische und andere Krisen auf gesamtgesellschaftlichem Niveau die Lebenschancen und die Lebensführung der einzelnen Menschen nachhaltig beinträchtigen, braucht niemandem erzählt zu werden. Nicht einmal denjenigen, welche davon profitieren. Dass der Einfluss von allgemeinen gesellschaftlichen Krisenvorgängen bis in das Unbewusstsein des Individuums hinein reichen kann, zählt ebenso wenig zu den privilegierten Einsichten. Gleichgültig wie grundverschieden im Detail verfahren wird, sämtliche Einzelbeobachtungen, theoretischen Vermutungen, empirischen Erklärungen und Prognosen derartiger Gegebenheiten bewegen sich jeweils in einem Rahmen, der ganz allgemeine Voraussetzungen über die Grundstruktur des Verhältnisses von System (Gesellschaft) und Subjekt (Individuum) macht. Das gilt selbstverständlich auch für Detailuntersuchungen, die sich mit dem Verhältnis von Krisen der Interaktion (mit Partnern etwa), der Organisationen (wie in der Familie oder am Arbeitsplatz), der Krisenpotentiale und Krisenprozesse der Gesamtgesellschaft (wie der "konjunkturbedingte" Verlust des Arbeitsplatzes) zu psychischen Problemen des Individuums beschäftigen. Eine derartige Kernvorstellung vom Verhältnis zwischen gefährdeter Subjektivität und krisendurchzogener Gesellschaft hat Theodor W. Adorno, dessen Beispiel ich hier folge, am Schluss seiner Vorlesung zur "Einleitung in die Soziologie" aus dem Jahre 1968 so zusammengefasst: "Man könnte sagen, dass in der gegenwärtigen Verfassung das Subjekt beides sei: auf der einen Seite Ideologie, nämlich deshalb, weil es auf es tatsächlich nicht ankommt, und weil sich überhaupt als Subjekt in dieser Gesellschaft zu fühlen, bereits etwas Scheinhaftes hat; auf der andern aber ist es auch das Potential, das einzige Potential, durch das diese Gesellschaft sich ändern kann, und in dem zwar alle Negativität des Systems sich speichert, zugleich aber doch das, was über das System, so wie es heute nun einmal ist, hinausweist.

Publication details

DOI: 10.1007/978-3-531-18734-1_8

Full citation:

Ritsert, J. (2012). Systementwicklung, Arbeitsleben und psychische Probleme, in Theorie praktischer Probleme, Wiesbaden, Verlag für Sozialwissenschaften, pp. 99-113.

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