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199383

(1999) Autobiographische Schriften, Wiesbaden, Verlag für Sozialwissenschaften.

Eine Heirat über die Grenze

René König

pp. 414-416

Als ich im Winter 1946 meine zukünftigen Schwiegereltern in Säckingen besuchen wollte, erhielt ich französische Militärpapiere, so daß ich auch im militärisch besetzten Deutschland frei reisen konnte. Als meine Frau in die Schweiz kam, erhielt auch sie sofort Aufenthaltserlaubnis und das Identitätspapier, das uns für Reisen nach Italien, Spanien und Frankreich nützliche Dienste leistete, vor allem als ich meine französische Familie mit meiner Frau bekannt machen wollte. Sie wurde von allen, vor allem von meiner Tante Lily, die jüngste Schwester meiner Mutter, herzlichst aufgenommen. Damit waren alle Probleme vorerst gelöst, wenn ich auch daraus die offensichtlich bis heute nachwirkende Lehre zog, daß ein Mensch nur soviel wert ist wie seine Identitätspapiere. Diese Lehre hatte mir schon kurz vor dem Kriege der Besitzer eines obskuren Hotels in Marseille in der Nähe des Bahnhofs vermittelt, den ich nach dem Preis eines Zimmers fragte: "Si tes papiers sont en règle, ça te fera 10 balles (argot für francs), si non, 15 balles, mais tu ne seras pas emmerdé par les flics." Es gibt offensichtlich viele verschiedene Definitionen für den Menschen, die nur für die Bürokratie da sind, bevor er als Person zum Zuge kommt, was dem Philosophen in uns nicht immer einleuchten will.

Publication details

DOI: 10.1007/978-3-322-80859-2_38

Full citation:

König, R. (1999). Eine Heirat über die Grenze, in Autobiographische Schriften, Wiesbaden, Verlag für Sozialwissenschaften, pp. 414-416.

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