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199383

(1999) Autobiographische Schriften, Wiesbaden, Verlag für Sozialwissenschaften.

Ankunft in Zürich

René König

pp. 372-375

Ich deutete schon an, daß meine endgültige Flucht in die Schweiz nicht ganz unvorbereitet war. So wohnte ich zuerst in der Stampfenbachstraße unweit der Eidgenössischen Technischen Hochschule in einer kleinen Pension, in der ich bereits seit einiger Zeit meine Sachen deponiert hatte. Sie wurde ausschließlich von jungen Leuten, meist kleinen Angestellten, bewohnt. Da in meinem Zimmer ein großer Schreibtisch stand, war es ein idealer Platz, um meine Habilitationsschrift und die anderen mit der Habilitation verbundenen Vorlesungen und Publikationen fertigzustellen. Da ich jetzt — von Deutschland und dem Nationalsozialismus aus gesehen — in Ruheposition war (mit Ausnahme eines nationalsozialistischen deutschen Kirchenvertreters, der in meinem Schreibtisch wühlte, dabei aber von meinem Pensionswirt erwischt und später von der Schweizer Polizei verhaftet wurde), kam ich schnell voran und konnte auch alles pünktlich der Fakultät abliefern. So fand im Herbst des Jahres mein Probevortrag als Privatdozent vor der Fakultät statt und im Wintersemester 1937/38 mit meiner Ernennung auch die Bestätigung durch die Erziehungsdirektion des Kantons Zürich, was natürlich sofort meine vorher noch unklare Situation bei der Fremdenpolizei in gewißem Ausmaß geklärt hat. Trotzdem blieb mir weiter das Arbeitsverbot (ich habe erst 1947 die "Niederlassung" erhalten), das ich im Jahre darauf grundsätzlich zu überwinden begann, da ich statutengemäß dazu verpflichtet war, meine Habilitationsschrift, meinen Vortrag vor der Fakultät und meine öffentliche Antrittsvorlesung zu publizieren Da mir Freunde aus Deutschland mit ihren Kreditbriefen jeweils etwas Geld mitbrachten, vor allem aber weil zwei meiner Bücher, die ich unmittelbar nach der Habilitation veröffentlichte, nämlich das über Machiavelli (1941) und über Sizilien (1943), kurz darauf meine Übersetzung der "Malavoglia" von Giovanni Verga (1944) Erfolge waren — 1967 erhielt ich den "Premio Verga" für letztere in Vizzini bei Catania in Gestalt einer kleinen vergoldeten Eule, das Wappen des Städtchens Vizzini, die mir seither lieb und teuer ist — so stand ich plötzlich ganz leidlich da, wenn ich auch arbeitsmäßig enorm belastet war, da ich ja meine Vorlesungen und Übungen vorbereiten mußte. Das erste Semester verlief insofern gut, als ich einen Text aus meiner Habilitationsschrift vortrug; aber mit dem zweiten Semester begann die Arbeitslast drückend zu werden, d.h. mit dem Wintersemester 1938/39. Als finanziellen Entgelt erhielt ich nur einen Anteil von 5.- Franken von den 6.- Franken, die die Studenten pro Semester und Stunde Vorlesung bezahlten. Der verbleibende Rest hieß der "Staatsfranken". Immerhin ergab sich ein Ruck von 45.- Fr. auf 450.- Fr. vom ersten zum zweiten Semester; natürlich ging es nicht im gleichen Rhythmus weiter... Aber es war doch etwas. ...

Publication details

DOI: 10.1007/978-3-322-80859-2_26

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König, R. (1999). Ankunft in Zürich, in Autobiographische Schriften, Wiesbaden, Verlag für Sozialwissenschaften, pp. 372-375.

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