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199383

(1999) Autobiographische Schriften, Wiesbaden, Verlag für Sozialwissenschaften.

Wanderungen und Fluchten

René König

pp. 365-369

Ich erinnere mich, daß ich schon damals (um 1920) ein gewisses Mißtrauen gegen den Wandervogel empfunden haben muß, denn ich unternahm öfters größere Wanderungen ganz allein. Ich fuhr dann etwa mit der Bahn bis Halberstadt am Fuße des Harzes und ging je nach Jahreszeit zu Fuß bis Thale oder per Bahn, um von dort aus das Bodetal aufwärts zu wandern. Unterwegs gab es damals keinerlei Übernachtungsmöglichkeit, so schlief ich bei entsprechenden Wetterverhältnissen an der rechten Talseite 20 bis 30 Meter über dem Wanderweg. Da das Tal ziemlich steil, aber mit Jungbäumen bepflanzt war, hatte ich mir einen Trick ausgedacht. Ich band meinen Rucksack mit dem Oberteil an einen Baum und hängte mich in die Tragriemen. Wenn ich es geschickt anfing und der Boden moosig war, das heißt weich, schlief ich ganz komfortabel bis zur Morgenkälte, um mir dann auf einem kleinen Spirituskocher einen heißen Tee zum Frühstück zu brauen. Dann wanderte ich weiter, je nachdem zunächst auf den Brocken und danach hinunter nach Wernigerode oder direkt nach Wernigerode, das meine Endstation war, und wo ich im Hause meiner Großeltern übernachtete. Als das Haus nach dem Tode meines Großvaters verkauft wurde und meine Großmutter in das Königs-Stift nahe beim Bahnhof Hasserode umzog, eine Stiftung der Familie für ältere alleinstehende Frauen, schlief ich bei ihr, blieb ein paar Tage da und fuhr dann mit der Bahn nach Halle zurück.

Publication details

DOI: 10.1007/978-3-322-80859-2_24

Full citation:

König, R. (1999). Wanderungen und Fluchten, in Autobiographische Schriften, Wiesbaden, Verlag für Sozialwissenschaften, pp. 365-369.

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