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199383

(1999) Autobiographische Schriften, Wiesbaden, Verlag für Sozialwissenschaften.

Die internationale Ebene (UNESCO)

René König

pp. 139-145

Wenn man es unternimmt, eine Soziologie aufzubauen, die nicht nur der Reflex einer besonderen und damit notwendigerweise flüchtigen Situation ist, sondern ihren Gegenstand mit einem relativ allgemeinen Kategorien-system, mit einer rationalen Methode und bewährten Forschungstechni­ken anzugehen sucht, so stößt man am Ende unausweichlich auf eine transkulturelle Perspektive, nämlich die einer internationalen Organisa­tion der Soziologen. Völlig unerwartet rief mich im Herbst 1948 mein al­ter norwegischer Freund Arvid Brodersen, damals Acting Head des Social Science Department bei der UNESCO, aus Paris an. Das letzte Mal hat­ten wir uns vor dem Kriege in dem erwähnten Verlag »Die Runde« ge­troffen, in dem er ein gezielt antinationalsozialistisches Buch unter dem Titel »Nationalsozialismus, vom Ausland gesehen« herausgegeben hatte, zu dem unter Pseudonym auch Wolfgang Frommel beigetragen hatte. Er fragte mich, ob ich bereit sei, an einer vorbereitenden Kommission für die Begründung einer internationalen Soziologen-Gesellschaft unter den Auspizien der UNESCO teilzunehmen, die später den Namen »Interna­tional Sociological Association« erhielt. Ich nahm mit Freude an, und das um so lieber, als ich schon seit Beginn meiner Emigration mitgearbeitet hatte am »Institut international de coopération intellectuelle« in Paris und auch mit Julian Huxley seit meiner Londoner Zeit in Verbindung stand, dem späteren ersten Generaldirektor der UNESCO. Schon diese erste Arbeit für eine internationale Organisation (ab 1937) hatte unter anderem bibliographischen Charakter, einen Ansatz, den ich später auch bei der UNESCO einbrachte und der dort unter dem Titel »Gegenwartstenden­zen der Forschung und zugehörige Bibliographien« die Publikation zahl­reicher periodischer Sammlungen veranlaßte, wie etwa »Current Sociolo­gy«, »Current Anthropology« u.a. Diese Publikationen stellen für die Soziologen, Anthropologen, Politikwissenschaftler heute weltweit geschätzte Arbeitsmittel dar. Meine Idee dabei war, entschieden unvollständige, d.h. selektive Bibliographien aufzustellen, sogenannte »Trend Reports«, die die ausgewählten Elemente um eine zentrale Idee gruppieren und gewissermaßen ein synoptisches Bild des Zustandes der Forschung auf einem be­stimmten Sektor darstellen, das auch Mängel hervorhebt, Forderungen ausspricht, Anregungen gibt, in welche Richtung die zukünftige For­schung zu lenken sein sollte. Dieses Projekt wurde später von den For­schungskomitees der International Sociological Assciation bestens unter­stützt, die jeweils Gruppen von Forschern mit internationalem Ruf (auch außerhalb der Kongresse) zusammebrachten. Ich selber habe mehrere Studiengruppen dieser Art angeregt, z.B. zwei in Köln mit Nels Anderson über das Thema Familie (1954 und 1955), eine ebenfalls in Köln mit Da­vid V. Glass über soziale Schichtung und Moblität (1959) und noch eine weitere über Familien in Ost und West mit Reuben Hill in Tokio (1965). Die vier Berichte sind als Bücher erschienen, das über soziale Schichtung hat nicht weniger als fünf Auflagen erreicht.

Publication details

DOI: 10.1007/978-3-322-80859-2_9

Full citation:

König, R. (1999). Die internationale Ebene (UNESCO), in Autobiographische Schriften, Wiesbaden, Verlag für Sozialwissenschaften, pp. 139-145.

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