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198921

(1978) Vergleichende Verhaltensforschung, Dordrecht, Springer.

Mehrfach motiviertes Verhalten

Konrad Lorenz

pp. 194-203

Bisher habe ich aus Gründen didaktischer Einfachheit verschwiegen, daß in einem Organismus zu gleicher Zeit mehrere Systeme von Antrieben am Werke sein können. Wir haben zwar schon in 2.1/13 und 14 davon gesprochen, daß schon auf der niedrigen Integrationsebene der von Holst untersuchten endogenen Reizerzeugung zwei oder mehrere verschiedene Rhythmen in Konkurrenz treten und einander überlagern können. Daß Analoges auch auf höheren Ebenen des Zentralnervensystems vorkommt, wurde bisher nicht erwähnt, auch wurde es den älteren Ethologen erst verhältnismäßig spät bewußt. Vor vielen Jahren hat mein Lehrer Julian Huxley einen Unterschied zwischen tierischem und menschlichem Verhalten in folgendem Gleichnis ausgedrückt: Der Mensch wie das Tier gleicht einem Schiffe, das von vielen Kapitänen befehligt wird. Während aber die Kommandanten des Tier-Schiffes eine Übereinkunft (gentlemen's agreement) getroffen haben, daß der jeweils auf der Brücke befehlende widerspruchslos abtreten sollte, wenn ein anderer die Kommandobrücke ersteige, bleiben beim menschlichen Fahrzeug alle Befehlshaber gleichzeitig auf der Brücke und geben ihre Befehle, wobei sie manchmal im Vereine zu einer besseren Lösung kommen, als einer allein sie gefunden hätte, manchmal aber durch den Widerspruch ihrer Meinungen jede vernünftige Steuerung des Schiffes unmöglich machen.

Publication details

DOI: 10.1007/978-3-7091-3097-1_12

Full citation:

Lorenz, K. (1978). Mehrfach motiviertes Verhalten, in Vergleichende Verhaltensforschung, Dordrecht, Springer, pp. 194-203.

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