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220619

(2019) Handbuch kritische Theorie, Dordrecht, Springer.

Der individuelle Ausdruck der Kulturindustrie

Steffen Hendel, Monique Lathan, Doreen Trümpler

pp. 1-14

Adorno und Horkheimer fragten bereits 1944, woraus sich eine schier widerstandslose Akzeptanz der Adressaten von Massenmedien ergibt. Die kapitalistische Formationsspezifik massenmedialer Standards seien dabei nicht unmittelbar aus Konsumentenbedürfnissen hervorgegangen, sondern aus einem Zirkel von systematischer Manipulation und rückwirkenden Bedürfnissen, woraus eine homogenisierte Bedürfnislage entstehe, die nach ökonomischen Maßgaben allein dem Nutzen des Kapitalinteresses dient. Der mediale Zugriff auf subjektive Konsumenteninteressen vollziehe sich durchaus entlang liberaldemokratischer Rationalität und bedeute im kulturindustriellen Kontext, dass die (Medien-)Teilnehmer als Subjekte anerkannt werden. Anerkannt insofern, als sie frei agierende Rezipienten, jedoch gleichermaßen Konsumenten kulturindustrieller Produkte sind. So verengt sich Subjektivität auf die Sphäre der Konsumption, um die Subjekte der autoritären Struktur der gesellschaftlichen Produktionsbedingungen zu subsumieren, denen sie zum einen alltäglich selbst unterworfen sind, die aber gerade in den Produkten der Massenindustrie ihre Entsprechung finden.Die Logik der liberalen Handlungsfreiheit hingegen basiert auf der Annahme, nur wer frei ist, kann handeln und nur wer handeln kann, ist regier- bzw. beeinflussbar – "die neue gouvernementale Vernunft braucht also die Freiheit, die neue Regierungskunst vollzieht Freiheit. Sie vollzieht Freiheit, d. h., sie ist verpflichtet, Freiheiten zu schaffen. Sie ist verpflichtet, sie zu schaffen und sie zu organisieren" (Foucault 2006, S. 97). Vor diesem Hintergrund geht es entsprechend nicht um die repressive Einpassung der Subjekte in bestehende Verhältnisse, sondern darum, wie sie sich selbst einpassen: "Warum sollte es nötig sein, individuelle Freiheiten und Gestaltungsspielräume einzuschränken, wenn sich politische Ziele wesentlich ‚ökonomischer" mittels individueller ‚Selbstverwirklichung" realisieren lassen" (Lemke et al. 2000, S. 30)? Angesichts problematischer Teilhabebedingungen und chancenwidriger Existenzvoraussetzungen scheinen gesellschaftliche Zurichtung auf der einen und individuelle Selbstmodellierung auf der anderen Seite in einem gnadenlosen Willen zur Aneignung neuartiger sozialer Spielregeln aufzugehen. Praktisch evident und insofern paradigmatisch dafür sind TV-Formate wie Trash Talk, Konkurrenzshows, Reality-Soups oder Makeover-Shows.

Publication details

DOI: 10.1007/978-3-658-12707-7_64-1

Full citation:

Hendel, S. , Lathan, M. , Trümpler, D. (2019)., Der individuelle Ausdruck der Kulturindustrie, in U. H. Bittlingmayer, A. Demirović & T. Freytag (Hrsg.), Handbuch kritische Theorie, Dordrecht, Springer, pp. 1-14.

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