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Die modernistische Ambivalenz im Werk Musils

Cüneyt Arslan

pp. 159-199

Theoretisierend und zu heuristischen Zwecken können die Begriffsbildungen des Erzählers aus zwei Definitionskategorien heraus betrachtet werden. Sowohl in seinen Essays als auch in seinen nachgelassenen Notizen und schließlich im "Mann ohne Eigenschaften" selbst konstruiert der Autor mehrschichtige Perspektiven, die ständig essayistisch umkreist, umschrieben und neu definiert werden. Die zwei Definitionsebenen, die sich meistens voneinander unterscheiden lassen, können folgendermaßen festgelegt werden: eine Ebene ist die Perspektive, die nicht den Standpunkt des Erzählers darstellt, sondern entweder den der Allgemeinheit (in einem westlich orientierten Kulturkreis und nach dem aktuellen Wissensstand der Zeit) oder eines bestimmten Fachkreises (Milieus). Das Wort ist für Musil, wenn es nicht "definitorisch zu einem Fachwort eingeengt wird, bloß das Siegel auf einem lockeren Pack von Vorstellungen." (GW II, S. 1212.) Monti schreibt: "Die Bedeutung ist für Musil nie ein Was, ein festes und fertiges An-Sich, sondern bloß ein Wie des offenen und nie vollendeten Wortes, welches unbestimmte andere Wie annehmen kann, […], je nach den verschiedenen Zusammenhängen, denen es angehört." (Claudia Monti: Musils Ratioïd oder Wissenschaft als Analogie der Ratio. In: Brokoph-Mauch, Gudrun (Hrsg.): Beiträge zur Musil Kritik. Bern, Frankfurt a. M.: Lang 1983, S. 205–235. Hier: S. 206 f. und siehe auch Fn. 6. Monti macht ihre Feststellung sichtbar, indem sie Ulrich als die Verkörperung des Was und Walter als eine funktionalistische Figur im "Mann ohne Eigenschaften" liest. Auch Hochstätters Feststellung dazu im Rahmen des Perspektivismus des "Mannes ohne Eigenschaften" ist bemerkenswert: "Was Musil eigenschaftslos nennt, ist besonders in seiner funktionalistischen Auffassung vom Wesen der Dinge festgemacht. Nicht ein An-Sich, sondern erst die jeweilige Bedeutungskonstellation entscheidet über das Was des Einzelnen. Wenn das traditionelle Denken vorwiegend mit statisch-absoluten Werten operierte, die in einem stabilen Koordinatensystem ihren Ort hatten, so relativiert und dynamisiert Musil die Qualität der Dinge. Die Eigenschaften sind abhängig vom individuellen Zusammenhang, der sich jederzeit wandeln kann". Hochstätter 1972, S. 39.) Die zweite Definitionsebene ist die, auf der die Meinungen bzw. ein Statement des implizierten Autors erscheinen und die im "Mann ohne Eigenschaften" entweder von der Erzählerstimme oder vom Protagonisten Ulrich zum Ausdruck gebracht wird.

Publication details

DOI: 10.1007/978-3-7091-1577-0_4

Full citation:

Arslan, C. (2014). Die modernistische Ambivalenz im Werk Musils, in Der Mann ohne Eigenschaften und die Wissenschaftliche Weltauffassung, Dordrecht, Springer, pp. 159-199.

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