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218033

(1997) Ambivalenz, Wiesbaden, Verlag für Sozialwissenschaften.

Ambivalenz, Indifferenz und die Soziologie des Fremden

Rudolf Stichweh

pp. 165-183

Die folgenden Überlegungen werden dem Thema der Ambivalenz am Beispiel der Soziologie des Fremden nachgehen. Das scheint ein naheliegender Zusammenhang, weil sich Ambivalenz in einer ersten Annäherung mit der Überraschungsqualität des Fremden verbindet. Der Fremde tritt unerwartet auf, ist vielleicht ein Schiffbrüchiger unbekannter Herkunft und mit unbekanntem Namen. Vor allem ist er in seiner ontischen Qualität unbestimmt. Ist er ein Gott, ein Engel, der eine Botschaft überbringt, vielleicht der Geist eines Ahnen? Ist er, wie im Fall des Odysseus, der lange totgeglaubte Ehemann, oder schließlich, wie dies für Ödipus galt, der Mörder seines eigenen Vaters, der die eigene Mutter geehelicht hat? Es könnte an dieser Liste auffallen, daß der Fremde eigentlich gar kein Fremder ist, daß er eigene Möglichkeiten der Gesellschaft verkörpert, die inhibiert wurden oder die zeitweise nicht hinreichend beachtet worden sind. Ambivalenz gegenüber dem Fremden wäre dann immer selbstbezogene Ambivalenz von Gesellschaften, die selbst als Stammesgesellschaften nichts anderes sein können als Weltgesellschaften, weil sie nichts zu denken imstande sind, das außerhalb der korrelativ zu ihnen entstehenden Welt läge. Der Fremde verkörperte eigene abgewiesene oder illegitime Möglichkeiten, die über ihn unhintergehbar in die Gesellschaft zurückkehren und den Versuch der Ausschaltung der Ambivalenz zunächst einmal zum Scheitern verurteilen.

Publication details

DOI: 10.1007/978-3-322-91433-0_8

Full citation:

Stichweh, R. (1997)., Ambivalenz, Indifferenz und die Soziologie des Fremden, in R. E. Wiedenmann (Hrsg.), Ambivalenz, Wiesbaden, Verlag für Sozialwissenschaften, pp. 165-183.

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