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215735

(2014) Gründungsszenen soziologischer Theorie, Dordrecht, Springer.

Der Blick des stigmatisierten Aufsteigers

Goffman über hierarchische Interaktion und aufgenötigte Perspektivübernahme

Andreas Pettenkofer

pp. 41-53

Goffmans Arbeiten bieten einen klassischen Zugang zur Soziologie der Interaktion; aber nach anfänglicher Faszination können sie rasch eine gewisse Enttäuschung wecken. Man gewinnt leicht den Eindruck, dass Goffmans Aufmerksamkeit für die Eigenlogik der Interaktion mit einem doppelten theoretischen Verlust erkauft ist: dass er die Interaktionsverläufe auf unfruchtbare Weise von allen Meso- und Makrostrukturen isoliert; und dass er die Beteiligten voreilig als geschichtslose Wesen sieht, die sich in strategischen Spielen üben, von denen sie letztlich unberührt bleiben. Versteht man Goffmans Soziologie von seinem immer noch populärsten ersten Buch The Presentation of Self in Everyday Life her, dann liegt es nahe, sie als eine reine Theorie der Außendarstellung zu begreifen, mit der sich doch nicht viel anfangen lässt – außer, wie es einer journalistischen Routine entspricht, immer wieder auf den Inszenierungscharakter von diesem und jenem hinzuweisen. Versteht man Goffmans Soziologie dagegen von seinen späten Selbstdeutungen her, dann scheint die zentrale Theorieentscheidung in der strikten Separierung einer ‚Interaktionsordnung" zu liegen (1983); so dass er sich einem Gegenstand zu widmen scheint, den man für viele soziologische Zwecke getrost ignorieren kann. Und eine Rekonstruktion, die sich nicht auf den Anfangs- oder Endpunkt der Werkentwicklung begrenzt, wird dadurch arg erschwert, dass Goffman – wie oft moniert wurde – in jedem Buch neu anzufangen scheint, weil er nicht nur immer andere empirische Phänomene beschreibt, sondern auch jedes Mal neue Begriffe einführt.

Publication details

DOI: 10.1007/978-3-531-19801-9_4

Full citation:

Pettenkofer, A. (2014)., Der Blick des stigmatisierten Aufsteigers: Goffman über hierarchische Interaktion und aufgenötigte Perspektivübernahme, in S. Farzin & H. Laux (Hrsg.), Gründungsszenen soziologischer Theorie, Dordrecht, Springer, pp. 41-53.

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