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204774

(2011) Arbeit in der Moderne, Wiesbaden, Verlag für Sozialwissenschaften.

Ambivalenzen in der Kritik der Moderne

Thomas Geisen

pp. 447-468

In "Über die Revolution" (ÜR) schreibt Arendt über die theoretische und politische Bedeutung von Karl Marx für die menschliche Freiheit: "In der Geschichte der menschlichen Freiheit wird Marx' Platz so zweideutig bleiben wie die Revolutionen, die durch seine Lehren inspiriert wurden. Zwar hat niemand so überzeugend die soziale Frage politisch gedeutet wie der junge Marx, niemand auch so zündend von dem Elend der Massen als dem Resultat menschlichen Unrechts, von Unterdrückung und Ausbeutung, gesprochen wie er; aber es war schließlich der gleiche Marx, dem in eigentlich allen Schriften nach dem Kommunistischen Manifest der echt revolutionäre Elan seiner Jugend in pseudowissenschaftlichen, ökonomischen Begriffen erkaltete. Wo man bisher nur die ewig gleichen Naturbedingungen menschlichen Lebens auf Erden gesehen hatte, hat er als erster die Willkür der Gewalt und Unterdrückung entdeckt; aber dies hat ihn am Ende auch nur dazu geführt, das eiserne Gesetz historischer Notwendigkeit in jede Gewalttat und jede Vergewaltigung hineinzuinterpretieren. Und da er noch, im Unterschied zu seinen Vorgängern in der Neuzeit, aber in engster Übereinstimmung mit dem klassischen Altertum, die Notwendigkeit im Sinne der zwingenden täglichen Notdurft des Lebensprozesses verstand, hat er schließlich mehr als irgend jemand sonst dazu beigetragen, der politisch jedenfalls verderblichsten Lehre der Moderne, daß das Leben der Güter höchstes und daß der Lebensprozeß der Gesellschaft Zweck und Ende aller Politik sei, zu einem endgültigen Siege zu verhelfen." (ÜR 79)

Publication details

DOI: 10.1007/978-3-531-93147-0_6

Full citation:

Geisen, T. (2011). Ambivalenzen in der Kritik der Moderne, in Arbeit in der Moderne, Wiesbaden, Verlag für Sozialwissenschaften, pp. 447-468.

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