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197748

(2011) Körperwissen, Wiesbaden, Verlag für Sozialwissenschaften.

Bodies on Display

Berit Bethke

pp. 249-269

Nichts erscheint uns unmittelbarer als der eigene Körper. Jedoch lassen sich Leibeserfahrungen nicht unmittelbar mitteilen. Wir sind auf Zeichensysteme wie Sprache, Schrift, Zahlen und Bilder angewiesen, um intersubjektiv zugängliches Wissen von und über den Körper zu kommunizieren. Visualisierungen stellen eine wesentliche Form zur Generierung und Vermittlung von Körperwissen bereit. Als Untersuchungsgegenstand gerät die visuelle Repräsentation des menschlichen Körpers seit den 1990er Jahren zunehmend in das Blickfeld vielschichtiger, mitunter disparater Forschungsprogramme, die sich im Zuge des "Iconic Turn" unter dem Label "Visual Culture"/"Visual Studies", bzw. im deutschen Raum unter dem Begriff der "Visuellen Kultur" formieren. Gespeist werden diese Forschungen durch poststrukturalistische, semiotische und praxeologische Ansätze sowie durch Konzepte der "Gender Studies", der "Postcolonial Studies' und der Wissenschaftsforschung. Konsens besteht darin, dass visuelle Medien ebenso wie Praktiken des Sehens resp. der Wahrnehmung den Körper auf bestimmte Weise zur Darstellung bringen und ihn somit konstituieren. Besonderes Augenmerk liegt auf der kritischen Auseinandersetzung mit wissenschaftlichen Bildern in der Medizin und der Humanbiologie. Eine Richtung der Forschung interessiert sich vorwiegend für die technologischen Bedingungen und Möglichkeiten der Etablierung neuer Sichtbarkeitsstrategien. Hierbei werden beispielsweise die Einführung der Röntgentechnik (vgl. Pasveer 1989; Warwick 2005), des Ultraschalls (vgl. Yoxen 1987) oder des Magnetresonanzverfahrens (vgl. Joyce 2006) rekonstruiert. Wissenschaftshistorische Studien analysieren u. a die Bedeutung von neuartigen Aufschreibverfahren und visuellen Repräsentationen für ein verändertes Körperverständnis (vgl. u. a. Borck 2005; Hess 2002). Paradigmatisch für diese Forschungsrichtung ist Barbara Dudens 1991 erschienener Essay "Der Frauenleib als öffentlicher Ort". Die Autorin beschreibt darin, wie sich durch neuartige Sichtbarmachungsstrategien die gesellschaftlichen Vorstellungen des Ungeborenen und des Mutterleibes als dessen biologisches Umfeld in eklatanter Weise verändern. Wieweit Bildwissen bereits in der Frühen Neuzeit maßgeblich für die Produktion und Organisation von Wissen konstitutiv war, untersucht Marcus Buschhaus in einer Medienarchäologie des anatomischen Wissens (vgl. Buschhaus 2005). Sein Befund lautet, dass sich anatomisches Körperwissen von Anbeginn der fachlichen Ausprägung im Wesentlichen der Logik der Bildmedien verschrieben hat. Im Anschluss an Michel Foucault kommt der Herausbildung bestimmter Blickregime hinsichtlich des Körpers eine besondere Bedeutung in der Forschung zu. Die Wirkungsmächtigkeit medizinischer Bilder bildet den Schwerpunkt für eine Vielzahl weiterer Studien (vgl. u. a. Haraway 1991; Nikoleyczik 2004; Orland 2003). Allerdings wird bisher wenig Aufmerksamkeit gelegt auf die Produktion und Organisation von bildlichem Wissen mittels spezieller Medienformen zur populären Aufbereitung von Körperwissen. Zumeist steht der Film im Zentrum derartiger Betrachtungen (vgl. u. a. Cartwright 1995; van Dijk 2001). Ausstellungen resp. Ausstellungsmedien sind bisher kaum ein Thema in der Forschung. Eine Ausnahme bildet die kritische Auseinandersetzung mit den "Körperwelten"-Ausstellungen von Gunter von Hagens (vgl. Bogusch et al. 2003; Hirschauer 2002; Wetz/Tag 2001).

Publication details

DOI: 10.1007/978-3-531-92719-0_12

Full citation:

Bethke, B. (2011)., Bodies on Display, in R. Keller & M. Meuser (Hrsg.), Körperwissen, Wiesbaden, Verlag für Sozialwissenschaften, pp. 249-269.

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