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(1991) Welt im Widerspruch, Dordrecht, Springer.

Die Absolutheit der Verantwortung

Stephan Strasser

pp. 163-167

Wenn Levinas den absoluten Charakter der ethischen Verantwortung philosophisch aufzuweisen sucht, geht er gänzlich anders vor als Kant. Man weiß, daß Kant den Begriff des kategorischen Imperativs aufgrund bestimmter Kriterien gewinnt; der Allgemeingültigkeit des gewollten Zweckes und der Eignung der Maxime zu einer allgemeinen Gesetzgebung. Levinas dagegen beruft sich auf ethische Erfahrungen. Er hat dabei allerdings Erfahrungen ganz besonderer Art im Auge. Sie weisen nicht die Noesis-Noema-Struktur eines Aktes intentionaler Erkenntnis auf. Sie stimmen auch nicht mit den Vorstellungen sozialwissenschaftlicher Forscher überein, da sic keineswegs mit objektiv feststellbarem Regelmaß aus bestimmten sozialen Konstellationen erwachsen. Vom objektiven Standpunkt scheinen sie rätselhaft zu sein. Tatsache ist aber, daß sie Anlaß zu bedrängenden Fragen geben. Woher kommt es, daß der Hunger des Anderen "mich angeht"? Warum sind gerade die Randfiguren der Gesellschaft — biblisch gesprochen "die Waise, die Witwe, der Fremdling" — meine Nächsten? Warum fühle ich mich verantwortlich für die Ungerechtigkeiten der Welt, während ich mich zu nichts verpflichtet habe? Woher kommt die Vorstellung, daß die Anderen mit dem Finger auf mich zeigen und mich anklagen?

Publication details

DOI: 10.1007/978-94-011-2484-3_39

Full citation:

Strasser, S. (1991). Die Absolutheit der Verantwortung, in Welt im Widerspruch, Dordrecht, Springer, pp. 163-167.

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