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Zeit der Handlung/Geschichte

Wolfgang Matzat

pp. 183-185

Eine erste Konstitutionsebene der Zeit in narrativen Texten ergibt sich aufgrund der erzählten Geschichte. Die zentralen Merkmale der Geschichte – begriffen als kognitive Form – sind häufig beschrieben worden:350 zu ihnen zählen erstens ein Subjekt, das eine Veränderung erfährt, zweitens eine Handlungssequenz, die diese Veränderung als chronologische und logische Abfolge entfaltet, sowie drittens die Eingrenzung und Formung dieser Handlungssequenz durch Anfang und Ende. Die so bestimmte Strukturform der Geschichte verbindet die Funktionen der Zeitdifferenzierung und der Kontinuitätsbildung. Indem die Geschichte einen Veränderungsprozess darstellt, ermöglicht sie es einerseits, verschiedene aufeinanderfolgende Zustände voneinander zu unterscheiden, andererseits stellt sie einen Zusammenhang zwischen ihnen her, indem sie die geschehene Veränderung zu erklären sucht. Letzteres kann sowohl dadurch erfolgen, dass Ursachen angegeben werden, die zu der Veränderung geführt haben, als auch durch die Deutung des Veränderungsprozesses als eine den Endzustand bewirkende Entwicklung. Auf diese Weise erfolgt durch das Erzählen von Geschichten eine grundlegende Form der Sinnstiftung, die ein Verstehen des vergangenen Geschehens er-möglicht.351 Die Konstitutionsebene der Geschichte hat insofern einen handlungsinternen Charakter, als sie ausschließlich auf der durch die Strukturform der Geschichte gestifteten sinnhaften Geordnetheit von Veränderungsprozessen beruht.

Publication details

DOI: 10.1007/978-3-476-05375-6_6

Full citation:

Matzat, W. (2014). Zeit der Handlung/Geschichte, in Perspektiven des Romans: Raum, Zeit, Gesellschaft, Stuttgart, Metzler, pp. 183-185.

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