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198460

(2011) "das Wort will Fleisch werden", Stuttgart, Metzler.

Einleitung

Simon Wortmann

pp. 1-13

Heinrich Heine und Friedrich Nietzsche gehören sowohl ihren theoretischen Überlegungen als auch ihrer ästhetischen Praxis nach unbestritten zu den großen Fürsprechern des Körpers im 19. Jahrhundert. Beide Autoren beziehen auf geradezu unerhörte Weise Stellung, sobald sie in ihren Texten von leiblichen Phänomenen reden machen. Das von ihnen gemeinsam geteilte Schicksal, die eigene Autorschaft nicht ohne den existenziellen Zustand einer persönlich erlittenen Krankheit auffassen zu können, scheint, wenn überhaupt, nur einen möglichen Grund für ihren literarischen Ansatz abzugeben, Körperlichkeit als einen herausragenden Modus menschlicher Individualität zu thematisieren und darzustellen. Heine und Nietzsche sind jeweils zu ihrer Zeit aus unterschiedlichen Motiven als Außenseiter angegriffen oder überhaupt gar nicht erst beachtet worden. Jedoch wollen sie mit ihrem Schreiben entschieden mehr als durch den Schein der Kunst ein berechnendes Rezeptionsinteresse für das exzeptionelle Einzelschicksal eines Ichs im Text erregen. Vielmehr geht es ihnen darum, die jeweilige historische Gegenwart selbst in der Perspektive eines künstlerisch vorgeführten Ichs zu problematisieren und skeptisch zu hinterfragen. Bei aller Verschiedenheit der biografi schen und zeitgeschichtlichen Konstellationen verfolgen beide Denkkünstler die Intention, den Leser für das Erfahrungspotenzial des Körpers im Zeichen einer allgemeinen und grundlegenden Krise zu sensibilisieren und ihn auf die von ihnen beiden angenommene historische Misere der verdrängten menschlichen Sinnlichkeit aufmerksam zu machen.

Publication details

DOI: 10.1007/978-3-476-05195-0_1

Full citation:

Wortmann, S. (2011). Einleitung, in "das Wort will Fleisch werden", Stuttgart, Metzler, pp. 1-13.

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