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176118

(2007) Erkenntniskritische Sozialisationstheorie, Dordrecht, Springer.

Erkenntnistheoretische Subjektivität

Raphael Beer

pp. 177-188

Die chronologische Aufarbeitung der Erkenntnistheorien hatte zugleich auch eine demonstrative Dimension. Sie sollte erstens, wie in der Zwischenbetrachtung ausführlich dargelegt, zeigen, dass die in der cartesianischen Philosophie angelegte Dualität von ‚res cogitans' und ‚res extensa' zwar einerseits den lebensweltlichen Bezugsrahmen für Erkenntnisprozesse aüf den Punkt bringt, andererseits — wie die Philosophien nach Descartes zeigen — zu Problemen führt, wenn der Begriff des Subjektiven widerspruchsfrei und nachmetaphysisch bestimmt werden, soll und sie sollte zweitens andeuten, in welcher Weise sich der Radikale Konstruktivismus anbietet, diesen Problemen zu begegnen. Wie im ersten Teil gesehen, fällt zu dem Zweck einer widerspruchsfreien Subjektbestimmung der Versuch einer handlungs- bzw. intersubjektivitätstheoretischen Herleitung aus, weil dieser Versuch letztlich den cartesianischen Dualismus beerbt, und einzig die Seite der ‚res extensa' durch eine zweite ‚res cogitans' ersetzt. Wenngleich sich damit zwar soziale oder eben interaktive Prozesse beschreiben lassen, wird eine widerspruchsfreie Subjektbestimmung verfehlt, so dass streng genommen unklar bleiben muss, welchen theoretischen Status denn die Subjekte haben, die soziale Prozesse in Gang bringen sollen. Gerade jedoch um die den Subjekten zugeschriebene Selbstbeteiligung am Sozialisationsgeschehen konsistent bestimmen zu können, bedarf es eines widerspruchsfreien Subjektbegriffes. Der Rückgriff auf die philosophische Erkenntnistheorie kann allerdings nicht, wie der zweite Teil verdeutlicht, als problemlose Bedienung in einem komfortabel ausgestatteten Kaufhaus gelten. Vor allen Dingen dann, wenn im Besonderen an den Radikalen Konstruktivismus angeschlossen wird, um den Problemen des Dualismus zu entkommen, ist es ein Rückgriff, der immanente Schwierigkeiten produziert. Insbesondere zwei Schwierigkeiten sind dabei zu überwinden. Zum einen muss die theoretische Begründbarkeit eines erkenntnistheoretischen Subjektbegriffes nachgezeichnet und der paradoxe Zirkel aufgelöst werden, der sich im Kontext des Konstruktivismus durch die Selbstkonstitution ergibt. Zum anderen muss geklärt werden, welche Stellung der erkenntnistheoretischen Subjektvorstellung zukommen kann, wenn sie im Kontext der empirischen Sozialisationsforschung Anwendung finden soll. Im Zuge dieser Erörterungen wird dann deutlich werden, wie der Subjektbegriff, der der erkenntniskritischen Sozialisationstheorie zugrunde gelegt werden soll, konzipiert ist.

Publication details

DOI: 10.1007/978-3-531-90553-2_7

Full citation:

Beer, R. (2007). Erkenntnistheoretische Subjektivität, in Erkenntniskritische Sozialisationstheorie, Dordrecht, Springer, pp. 177-188.

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